Dorfgemeinschaft Kiebingen "Wenn's alloi nemme goht …"

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SWP vom 23.01.2020
aus: Stuttgarter Zeitung vom 23.01.2020

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[Marte Meo Fachtag am 09.10.2021 – Vorstand, Mitarbeiter*innen und Angehörige der Dorfgemeinschaft haben teilgenommen

Maria Aarts ist die Gründerin der Marte-Meo-Methode. Am Samstag referierte sie vor Pflegekräften in Tübingen. Bild: Stefan Zibulla

Unter dem Titel „Marte Meo in der Pflege von Menschen mit Demenzerkrankung“ stellte Maria Aarts am Samstag ihre Methode der videogestützten Supervision in Tübingen vor. Wir sprachen mit der 71-jährigen Niederländerin, die in Eindhoven ein Ausbildungszentrum für Arbeitskräfte in Kindergärten und Pflegeeinrichtungen leitet, über die Umsetzung dieses Handlungskonzeptes in der professionellen und familiären Betreuung von Senioren.

Was bedeutet Marte Meo und welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Methode?

Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „aus eigener Kraft“. Dabei fokussiert sich der Blick nicht auf die Defizite von Menschen, sondern auf ihre Ressourcen, die erkannt, gestärkt und weiterentwickelt werden. Dazu wird mit Hilfe von Videos analysiert, warum die Kommunikation in bestimmten Situationen gelingt oder scheitert. Ich habe diese Methode in den 70er Jahren zunächst für die Kinder- und Jugendarbeit entwickelt. Mittlerweile wird sie in mehr als 50 Ländern angewandt und spielt auch in der Pflege von Menschen mit Demenz eine immer größere Rolle.

Menschen mit Demenz verweigern beispielsweise oft das Essen. Wie kann hier Ihre Methode professionellen Pflegekräften oder Angehörigen helfen?

Sie müssen die Botschaft hinter dem Verhalten verstehen. Die Ablehnung des Essens bedeutet häufig nicht, dass der demente Mensch nicht essen will, sondern dass er mit der Situation überfordert ist und nicht mehr weiß wie. Mit Druck kommt man hier nicht weiter. Solche Verweigerungen lassen sich am besten in einer Atmosphäre überwinden, in der sich der Patient wohlfühlt und Schritt für Schritt angeleitet wird.

Pflegekräfte haben aber oft nicht genug Zeit.

Marte Meo zielt darauf ab, aufmerksam auf die individuellen Bedürfnisse dementer Menschen zu reagieren und sich dabei auch ihrem Tempo anzupassen. Das kostet zunächst einmal Zeit. Aber die wenigen zusätzlichen Minuten, die Pflegekräfte dabei in die Kommunikation mit ihren Klienten investieren müssen, machen sich langfristig bezahlt. Denn wenn das Personal in einem Pflegeheim weiß, wie es Widerstände abbauen oder ihren Aufbau von vornherein verhindern kann, spart es nicht nur Zeit, sondern vor allem auch viel Kraft und Nerven. Marte Meo ist kein Wundermittel, mit dem Demenz geheilt werden kann. Die Methode ermöglicht aber einen guten Kontakt zu den Erkrankten und erzeugt damit Glücksmomente bei ihnen und ihren Betreuern. Pflegekräfte, die sich über Erfolgserlebnisse freuen, sind motivierter und weniger anfällig für das Burn-out-Syndrom. Damit kann diese Methode verhindern, dass Pflegekräfte aus ihrem Beruf aussteigen und die eh schon angespannte Personalsituation in ambulanten und stationären Einrichtungen noch weiter verschärft wird.

Marte Meo kostet aber auch Geld.

Ich betreue derzeit ein Projekt in der Nähe von Aachen, bei dem wir ein ganzes Dorf im Umgang mit dementen Menschen trainieren. Dazu filmen wir im Altenheim sowie im Supermarkt oder beim Optiker. Wir beziehen das ganze soziale Umfeld dementer Menschen mit ein: ihre Angehörigen und Freunde, professionelle und ehrenamtliche Pflegekräfte sowie die Polizei, den Handel und die kommunale Verwaltung auf dem Rathaus. Das komplette Projekt wird mit öffentlichen Geldern finanziert. Man hat erkannt, dass auf diesem Weg die Qualität der Pflege verbessert werden kann, ohne dass zusätzliche Pflegekräfte bezahlt werden müssen, die auf dem Arbeitsmarkt sowieso nicht zur Verfügung stehen. Ich hoffe, dass dieses Beispiel bald in ganz Deutschland Schule macht und die Arbeit mit Marte Meo auch in Tübingen aus öffentlichen Geldern finanziert werden kann.

Für pflegende Angehörige soll Marte Meo kostenlos sein

Nachdem Maria Aarts bereits am Freitag im Tübinger Marte-Meo-Zentrum über die Anwendung ihrer Methode in der frühen Kindheit referierte, erläuterte sie das Konzept am Samstag vor rund 70 professionellen Pflegekräften und pflegenden Angehörigen. Weitere 25 Teilnehmer hatten sich per Internet in die hybride Fachtagung eingewählt. Neben der Alzheimer-Gesellschaft Baden-Württemberg und dem Landkreis Tübingen sowie dem Netzwerk Demenz wurde die Veranstaltung auch vom Kreisseniorenrat finanziell unterstützt. Für dessen Vorsitzenden Michael Lucke markiert die Tagung den Start für die Anwendung der videogestützten Interaktionsanalyse im Kreis Tübingen. „In Gesprächen mit den Krankenkassen und Kommunen werde ich mich dafür einsetzen, dass dafür auch Gelder zur Verfügung gestellt werden“, betont Lucke. „Für pflegende Angehörige müssen diese Trainings kostenlos sein.“

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